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Hier finden Sie unterschiedliche Texte, Gedanken und Inspirationen zum Einfühlen und Weiterdenken.

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(Winfried Ullrich)

In meinem Alltag begegnen mir die unterschiedlichsten Menschen. Sie bringen mir ihre Geschichten mit. Geschichten, die ihr Leben beschreiben, Sie erzählen von Zeiten, wo das Leben gelingt, aber sie sprechen auch vom Scheitern, Versagen und persönlicher Not.

Um Menschen in Ihrer persönlichen Situationen verstehen zu können, braucht es manchmal einen Perspektivwechsel bei der Betrachtung ihrer Situation. Manchmal brauche ich mehr Abstand und den Mut die Dinge aus der Ferne zu betrachten.

Sind Sie schon mal mit einem Ballon geflogen? Oder haben von einem hohen Berg die Welt von oben betrachtet? Von oben gesehen sieht vieles anders aus. Alles erscheint klein und übersichtlich. Alles hat seine Ordnung, was unten verworren erscheint. Verschlungene Wege führen zu einem Ziel. Wiesen, Wälder, Häuser und Straßen fügen sich harmonisch in die Landschaft ein. Von oben hergesehen, habe ich Abstand zu meiner Welt. Zu den vielen Worten, die sich Menschen tagtäglich zusprechen oder auch manchmal zuschreien.

Die vernebelten Gedanken, die noch nicht erledigten Alltäglichkeiten, die noch nicht gefundenen Wege aus der Krise, die Suche nach der richtigen Entscheidung, all das verwirrt mich hier oben nicht mehr. Ich spüre die Ruhe um mich, nur die Geräusche vom Ballon und der Gesang der Vögel begleiten mich. Ich will diese Momente genießen, keine unnützen Worte, keine planlosen Aktionen, nur Stille, das Leben da unten auf Abstand halten. Für wenige Momente innehalten und dem Leben schweigend begegnen.

Wenn ich wieder in diese Welt da unten eintauche, will ich etwas von der Welt da oben mitnehmen. Etwas mehr Abstand wagen, um meine Blicke zu weiten. Etwas mehr Ruhe, um die wirklich wichtigen Worte zu hören, etwas mehr Schweigsamkeit, um mich anderen Sichtweisen zu öffnen. Vielleicht wird es mein Weg in die kommende Zeit. Ein Weg, gewohnte Ansichten zu prüfen und neue Einsichten zu gewinnen.

Mit Worten von Hanni Neubauer möchte ich mein Angedachtes schließen.

Manchmal muss ich mich suchen gehen

Manchmal muss ich mich suchen gehen,
damit ich nicht untergehe
im Berg der Arbeit.

Manchmal muss ich mich suchen gehen,
damit ich mich nicht verliere
im Irrgarten der Gedanken.

Manchmal muss ich mich suchen gehen,
damit ich wieder glauben kann
in den Zweifeln meiner Nächte.

Manchmal muss ich mich suchen gehen,
damit ich wieder sehe
in dem Nebel meiner Wünsche.

Manchmal muss ich mich suchen gehen,
damit ich mich wieder höre
in der Wirrnis der Stimmen.

Manchmal muss ich mich suchen gehen,
damit ich mich wieder öffne
für die Welt
für den anderen,
für Gott.

Manchmal muss ich mich wieder suchen gehen,
damit ich wieder ich selber bin und nicht nur ein Schatten.

Hanni Neubauer

 

426

Frieden auf der Erde beginnt nicht damit, dass wir Forderungen an andere stellen.
Auch nicht damit, einen Schuldigen zu suchen.
Die Suche muss sich darauf konzentrieren, welcher Frieden von uns ausgeht.
Der freundliche Blick, die verlässliche Zusage, die uneigennützige Hilfe, die sanfte Gnade, der warme Händedruck, die verstehende Güte, das beherzte Eingreifen, die liebe Führung.
Frieden beginnt damit, den ersten Schritt zu tun und mit uns selbst Frieden zu schließen.
Dann ist es, als wäre ein strahlendes Licht entzündet, hell leuchtend von Mensch zu Mensch.
Und wir tragen es über das Land, bis tiefer Friede die ganze Erde erhellt.


 

408

402

(Quelle unbekannt)

Ich bin da…

In dem Dunkel deiner Vergangenheit und in das Ungewisse deiner Zukunft, in den Segen deines Helfens und in das Elend deiner Ohnmacht lege ich meine Zusage:

Ich bin da

In das Spiel deiner Gefühle und in den Ernst deiner Gedanken, in den Reichtum deines Schweigens und in die Armut deiner Sprache lege ich meine Zusage:

Ich bin da

In die Fürbitte deiner Aufgaben und in die Leere deiner Geschäftigkeit, in die Vielzahl deiner Fähigkeiten und in die Grenzen deiner Begabungen lege ich meine Zusage:

Ich bin da

In das Gelingen deiner Gespräche und in die Langeweile deines Betens, in die Freude deines Erfolges und in den Schmerz deines Versagens lege ich meine Zusage:

Ich bin da

In die Enge deines Alltages und in die Weite deiner Träume, in die Schwäche deines Verstandes und in die Kräfte deines Herzens lege ich meine Zusage:

Ich bin da


 

391

Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes Luk. 9,62

Meine Kindheit habe ich auf dem Bauernhof verlebt. Als Kind habe ich auch miterlebt, wie im Herbst die Felder mit Pferd und Pflug später mit Traktoren umgepflügt wurden. Dies war für mich als kleiner Junge eine ganz besondere und aufregende Angelegenheit. Ich muss Jesus recht geben, beim Pflügen ist der Blick nach vorn gerichtet. Es ist wichtig nach vorrn zuschauen, damit die Furche wirklich gerade wird. Doch ich habe auch beobachtet, dass mein Vater nach jeder beendeten Furche einen Blick zurück, auf die frisch gepflügte Furche tat. Und dieser Blick zurück machte ihn zufrieden über das Erreichte.

Der Evangelist Lukas sagt uns deutlich wer zurück schaut - ist nicht geeignet für das Reich Gottes. Bei diesem Bibelwort spüre ich eine gewisse Ambivalenz - Auf der eine Seite steht der Anspruch Jesu - auf der anderen Seite drängt es mich innerlich immer wieder dazu Rückschau zu halten, mich an schöne Zeiten zu erinnern, mich in der Vergangenheit etwas festzuhalten. Das Heute in dem ich lebe bringt mich immer öfter aus meiner Sicherheitszone, die mir so wichtig ist. Die Zeit scheint für die vielen Aufgaben die zu lösen sind, nicht mehr auszureichen. Immer mehr Entscheidungen müssen in kürzester Zeit getroffen werden. Die Konfliktfelder im Zusammenleben von uns Menschen werden immer komplizierter - die Möglichkeiten der Problemlösungen nehmen ab. Ich merke, dass meine ganze Person gefordert ist, um in diesem Leben zu bestehen. Besonders in Zeiten, welche mit Konflikten und Problemen gefüllt sind, neige ich dazu der Gegenwart zu entfliehen und mich in der Vergangenheit zu erholen.
Es fällt mir schwer, die Hände fest an den Pflug zu legen - den Blick nach vorn zu richten - ich ertappe mich beim Blick zurück. Ich möchte allzu gern mal innehalten, verharren und auf alte Zeiten zurückblicken.

Mir ist bewusst, das Leben richtig verstehen, heißt nicht im Vergangenen hängen bleiben.

Wenn der Bauer auf dem Feld immer wieder zurückschaut, bindet er wichtige Kräfte für die Bewältigung der Gegenwart. Die Vergangenheit ist nun mal nicht mehr zurück zu holen, sie liegt nicht mehr in meiner Hand. Ich kann und ich soll sie loslassen, damit ich frei werde für das Gegenwärtige - für das Leben jetzt, hier, mit allem wenn und aber. Der Blick nach vorn auf das Lebensfeld, welches noch gepflügt werden soll, ist immer auch ein Wagnis, ein Risiko, ein Aushalten, ein Suchen nach dem Sinn des Lebens, eine Suche nach Gott.

Jesus fordert den Blick nach vorn. Er bietet uns auf diesem Weg seine Gegenwart und Begleitung an. Mit diesem Zuspruch darf ich mich auf das Wagnis des Lebens einlassen.

W.Ullrich

390

„Herr, ich werfe meine Freude wie Vögel an den Himmel. Die Nacht ist verflattert. Ein neuer Tag, von deiner Liebe. Herr, ich danke Dir!“

Das ist ein Teil eines sehr bekannten Morgengebets aus Westafrika. Es ist erfüllt von einer übersprudelnden Lebensfreude. Bei der ich meine Arme weit ausstrecke und mit den Händen den Himmel wie Vögel berühre. Eine Freude, die im ganzen Leib kribbelt und Lust macht, dem neuen Tag mit Neugier und Begeisterung zu begegnen.
Ich denke: Neben allen Sorgen und Belastungen, die es in unseren Leben gibt, schenkt Gott uns auch immer wieder Momente, in denen wir einfach froh und unbeschwert sein dürfen und uns an seiner Welt erfreuen können. Ein solcher Moment ist für mich in den folgenden Worten eingefangen. Ich gebe Sie Ihnen weiter mit dem Wunsch, dass auch Sie, ja dass wir alle möglichst oft solche Momente erleben dürfen. Wir brauchen sie.

„Herr, ich werfe meine Freude wie Vögel an den Himmel.
Die Nacht ist verflattert und ich freue mich am Licht. Herr, ich bin fröhlich.
Die Vögel und Engel singen, und ich jubiliere auch.
Das All und unsere Herzen sind offen für Deine Gnade.
Ich fühle meinen Körper und danke.
Herr, ich freue mich an der Schöpfung.
Und dass Du dahinter bist und daneben und davor und darüber und in uns.
Die Psalmen singen von Deiner Liebe,
die Propheten verkündigen sie, und wir erfahren sie.
Ich werfe meine Freude wie Vögel an den Himmel.
Ein neuer Tag, der glitzert und knistert und jubiliert von Deiner Liebe.
Jeden Tag machst Du.
Du zählst jeden Tag die Haare auf meinem Kopf.
Halleluja, Herr.“

Mich fasziniert, wie die Dankbarkeit in diesem Gebet mit Freude und Liebe zusammen gesehen wird. Es ist wohl ein endloser Kreislauf:
Wenn du Liebe erfährst, dann freust du dich.
Wenn du dich freust, kannst du dankbar sein.
Wenn du dankbar bist, freust du dich.
Wenn du dich freust, kannst du Liebe weitergeben.
Wenn du Liebe gibst, dann kannst du Dankbarkeit erleben.

Pfarrerin Margrit Mickel

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